Auf den Hype des letzten Jahres folgt also die Ernüchterung. Während Caro Daur genüsslich durch den Kakao gezogen wurde, fröhnen Stars der “alten” Garde wie Elyas M’Barek ganz öffentlich dem “Influencer-Hass” und andernorts startet die “Rettung” der noch jungen Disziplin Influencer Marketing. Was läuft da schief? Und wo geht die Reise hin? Ich wage den Blick in die Zukunft (und das ausgerechnet aus Österreich).
Redakteurin Bianca Lang macht ein (schlechtes) Interview mit Caro Daur und rühmt sich auch noch damit.
W&V ruft zur Rettung des Influencer Marketing auf. #echtjetzt!
Problemstellung 1: Wir sind eine (Digital) Agentur und haben eine (schlechte) Idee für Influencer Marketing.
Nehmen wir also das gerade kursierende Beispiel der #coralliebtdeinekleidung Instagram-Kampagne. Hier posieren Influencer (und damit sind in diesem Fall sowohl Schauspieler, Sängerinnen als auch Instagramer und Blogger gemeint) fröhlich mit einer Flasche Waschmittel. Natürlich ist das nicht gerade einfallsreich. Genau solche Kampagnen führen zum schlechten Ruf der ganzen Disziplin und ernten dafür zurecht Kritik von anderen Influencern.
Die Schuldigen:
- Agenturen, denen echt nichts besseres einfällt.
- Influencer, die sich von (zu) guter Bezahlung verlocken lassen.
Die Coral Kampagne ist ganz schön nach hinten losgegangen.
Jana Wind von bekleidet kann schlechte Influencer Kampagnen nicht mehr sehen. Zurecht!?
Problemstellung 2: Wer bzw. WAS sind überhaupt diese Influencer?
Das führt uns gleich zur nächsten Frage: Wer (oder noch viel mehr WAS) sind eigentlich diese Influencer? Während Elyas M’Barek den ganzen Job in Frage stellt (“Hab sie nach ihrem Beruf gefragt, sie hatte keine Antwort. @carodaur”), scheinen Redakteure wie Bianca Lang (die auch gerade Caro Daur zum Hassobjekt erkoren hat) sich vor allem um ihren Berufsstand Sorgen zu machen.
Denn – da haben die Jungs von Dandy Diary schon recht – wer liest denn bitte noch “splendid, das Lifestyle-Magazin des manager magazins”. Seien wir uns mal ehrlich!? Jeder einzelne Instagram-Post von Caro Daur hat wohl mehr Werbewirkung als Anzeigen in diesem Magazin. Und Elyas? Der möchte wohl einfach nur zeigen, dass Schauspielerei ernstzunehmender ist als andere Jobs. Und deren hat Caro Daur viele. Im Gegensatz zu Elyas hat sie keinen Stab an Mitarbeitern um sich. Sie macht das selbst – wie sie auch der Journalistin Bianca Lang erklärt: “Ich mache das ja alles allein, habe kein Management für alles.”
Das kann uns gefallen oder auch nicht, ist aber nunmal die Realität der medialen Produktion (und des damit einhergehenden Medienkonsums) der heutigen Zeit. Eine Diskussion über die Qualität der Inhalte darf (und soll) man führen. Wir verbringen aber insgesamt gesellschaftlich mittlerweile mehr Zeit mit Internet und Social Media, als mit Luxusbeilagen von Magazinen.
Die Schuldigen:
- Schauspieler und Musiker, die glauben nur ihr Job ist echte Arbeit.
- Journalisten, die meinen nur ihr Content ist echter Content.
- Influencer, die nicht kommunizieren können, wie viel Arbeit wirklich hinter der glänzenden Fassade steckt.
Elyas M’Barek kann Caro Daur wohl nicht so recht leiden, posiert aber lächelnd für ein Foto mit ihr.
Die Replik: Dandy Diary sprechen sich lautstark gegen Influencer-Hass aus.
Problemstellung 3: Ist das denn alles Schleichwerbung? Und wieso gibt’s da kein Gesetz dagegen?
Hier kommt der schwammigste Teil dieser Abhandlung. Weil: Natürlich gibt es Gesetze, viele verschiedene sogar – aber derzeit ist noch unklar welches wie und welcher Form für Influencer gilt.
Reicht nun eine Kennzeichnung mit #Ad oder #Spon auf Instagram am Ende des Textes oder muss doch direkt am Anfang WERBUNG oder ANZEIGE in Großbuchstaben stehen? Muss auf Youtube nur auf die Produktplatzierung hingewiesen werden oder “Dauerwerbesendung” während des gesamten Videos eingeblendet werden? Und wie sieht es mit Blogbeiträgen aus?
So ganz klar ist das alles nicht – und da hilft auch die gerade in Deutschland laufende Abmahnwelle nicht, wenn sich der Gesetzgeber (jedes einzelnen Landes!) noch nicht entschieden hat.
Die Schuldigen:
- Der Gesetzgeber, der das Thema auch nach Jahren (Instagram gibt es mittlerweile seit 2010!) verschläft.
- Kunden, die Influencer dazu anhalten ihre Werbung nicht zu kennzeichnen.
- Influencer, die ihre Werbung nicht kennzeichen.
Die Medienanstalten geben in Deutschland Tipps für Social Media Werbekennzeichnung
Problemstellung 4: Ist das nicht alles Geldverschwendung?
Ja und jetzt kommen wir zur heikelsten aller Fragen: Was bringt dieses Influencer Marketing überhaupt? Ist das noch Kunst oder kann das weg?
Am liebsten würden wir ja alle nur kunstvolle Kampagnen kreieren, die in Cannes mit Preisen überhäuft werden und deren Produktionskosten so teuer sind, dass wir lieber den Mantel des Schweigens darüber hüllen.
Und natürlich finden wir es dann nicht lustig, wenn ein scheinbarer Selfie-Schnappschuss einer scheinbar dauerfröhlichen und niemals arbeitenden Influencerin dazu in Konkurrenz steht. Vor allem nicht, wenn sie dafür vielleicht genauso viel Geld bekommt, wie wir – die anspruchsvollen Werbeproduzenten und -konsumenten (sic!).
Hier stellt sich vor allem die Frage nach der Erfolgsmessung. Und diese folgt im Normalfall einem nicht unwesentlichen Schritt in der Werbung – nämlich der Zielsetzung. Und hier scheitert es dann auch schon oft. Influencer Marketing muss man halt gerade irgendwie mitmachen – die Ziele verliert man dabei aus den Augen.
Die Schuldigen:
- Unternehmen, die nicht so recht wissen was sie mit dem Thema Influencer Marketing anfangen sollen.
- Agenturen, die ihre Kunden nicht ordentlich beraten.
Wie zielgerichtet sind Influencer Marketing-Aktivitäten? Unklar, wenn die Ziele nicht klar sind!
Soviel zu den Problemstellungen – jetzt wollen wir aber auch über Lösungen und Zukunftsaussichten im Influencer Marketing sprechen.
Lösung 1: Wir sind eine (Digital) Agentur und wollen Influencer Marketing besser machen.
Hier zeichnen sich im Grunde genommen 4 Trends ab:
- Branchen-Professionalisierung
Die Branche reift und professionalisiert sich gerade in Lichtgeschwindigkeit. Während Branchen wie der Journalismus oder Film & Fernsehen Jahrzehnte Zeit hatten, muss sich Influencer Marketing in wenigen Jahren auf ein ähnliches Niveau stemmen. Gerade dieses Jahr scheint hier ein schmerzlicher Prozess angestoßen worden zu sein.
Während Influencer Marketing gleichzeitig einen Hype erfährt, wird es parallel auch massiv kritisiert. Und beides letztlich völlig zu recht. Nicht umsonst gibt es Gruppen wie “Perlen des Influencer-Marketings” auf Facebook, wo laufend die schlechtesten Kampagnen belächelt werden. Dass man es besser machen kann beweisen viele – wie zum Beispiel Kolle Rebbe mit Youtubern und der Bundesagentur für Arbeit.
Was es zur Professionalisierung braucht? Weiterbildungen für Agenturen und Marketingverantwortliche, Influencer-Workshops, eine Berufsvertretung für Influencer, ein Verband, ein Influencer-Ethikrat? Die Möglichkeiten sind zahllos und daran soll und muss weiter gearbeitet werden.
- Co-Kreation mit Influencern
Solange man es in Unternehmen und Agenturen nicht wirklich aus eigener Erfahrung und von selbst durchgeführten erfolgreichen Kampagnen weiß, sollte man Influencer möglichst früh in den Prozess der Kampagnengestaltung einbinden. Das ist derzeit der einfachste Weg um sich vor schlechten Kampagnen zu schützen.
Ein guter Indikator für die (fehlende) Qualität meiner Ideen:
Wenn die gewünschten Influencer die Zusammenarbeit ablehnen.
- Influencer Relations
Punkt zwei führt nahtlos zu Punkt drei. Wer mit Influencern gemeinsame Kampagnen strickt baut eine Beziehung zu diesen Influencern auf. Im Idealfall ist eine solche Beziehung langfristig und führt zu einer nachhaltigen, lang andauernden Zusammenarbeit.
Keiner will, dass Influencer A an Tag 1 für das eigene Produkt wirbt und an Tag 2 für das der Konkurrenz. Und genau das passiert laufend! Warum? Weil Unternehmen nicht gewillt sind Influencer für Markenexklusivität und langfristige Zusammenarbeit zu bezahlen. Es wird zu kurzfristig gedacht und gearbeitet.
- In House-Influencer / der Mitarbeiter als Influencer
Eine Varianten einer langfristigen Zusammenarbeit ist auch der zum Trend erkorene “In House-Influencer”. Wie man Mitarbeiter zu Influencern macht (oder Influencer zu Mitarbeitern) – darüber sollten sich Unternehmen tatsächlich Gedanken machen. Die eigenen Stars aufzubauen kann unter Umständen langfristig effizienter sein, als die Strahlkraft von Influencern immer zukaufen zu müssen.
Lösung 2: Eine klarere Berufsbezeichnung für Influencer. Und Verständnis für ihre Aufgaben.
Das Skurrilste am ganzen Thema Influencer Marketing ist, dass sich die handelnden Personen vehement gegen den Titel “Influencer” zur Wehr setzen. Keiner möchte ein Influencer sein – weil niemand sein Geld damit verdienen möchte, andere (wissentlich und absichtlich) zu beeinflussen.
Influencer haben zumeist eine Leidenschaft für ein Thema oder eine Tätigkeit. Die Themen können Mode, Reisen oder Ernährung, Familie oder Interior Design sein. Die Tätigkeit kann Schreiben, Fotografieren, Modeln, Filmen, Schauspielen oder Moderieren sein (oder ein Mix daraus).
Nun nennen sich Influencer also Content Creators, Blogger, Youtuber oder Instagramer. Das sollten wir akzeptieren und wenn wir denn tatsächlich eine Schublade für alle zusammen brauchen, müssen wir diese auch mit allen Tätigkeiten befüllen, die darunter fallen. Hier eine (nicht vollständige) Liste:
- Redaktion: Sei es ein Blogger, Youtuber oder Instagramer – letztlich sind sie alle Redakteure auf ihre Art und Weise. Sie setzen sich mit Themen auseinander und verarbeiten diese in Bild, Text und/oder Video. Dazu zählt die klassische Arbeit jedes Redakteurs: Redaktionsplanung, Recherche, Produktion der Inhalte, Redigieren bzw. Editieren der Inhalte und auch das Publizieren (auf möglicherweise deutlich mehr Kanälen als ein “klassischer” Redakteur gleichzeitig bedienen muss).
- Management: Gleichzeitig vermarkten sich Influencer (oft) selbst. Sie sind ihre eigene Agentur und ihr eigenes Management. Sie haben keine PR-Leute, keine Künstleragentur, keinen persönlichen Manager. (Ausnahmen bestätigen die Regel – je größer der Influencer, desto höher die Chancen, dass dieser Part ausgelagert wird.) Was das heißt? Kundenkontakt, E-Mails, Kooperationsangebote, Konzepte ausarbeiten, Interviewanfragen, Reise-Organisation, Verrechnung, strategische Entscheidungen – all das machen Influencer selbst.
- Verkauf: Ja, und das sehen wir am allerwenigsten. Influencer sind auch ihre eigenen Key Accounter. Sie müssen sich verkaufen, wenn sie von ihrem Job leben wollen. Dazu zählt Akquise, Kooperationsgespräche – mittlerweile sogar Pitches. Preisverhandlungen, Media-Daten & Reports liefern, Präsentationen und vieles mehr. Influencer sind also auch noch ihre eigene Verkaufsabteilung.
- Und alles andere: Das kann Modeln, Styling, Make-Up, Reiseplanung, Food-Styling, Rezeptentwicklung, Coaching, Workshops und vieles mehr sein. Je nach inhaltlichem Fokus des Influencers. Auch hier gilt: Das machen die alles selbst, diese fiesen Multitalente. Wo Agenturen Stylisten, Make-Up Artists, Fotografen und Fotoassistenten beauftragen – machen das viele Influencer in Personalunion.
Influencer müssen sich allerdings genauso professionalisieren, wie dies in anderen Disziplinen schon vor langer Zeit passiert ist. Vermutlich findet zukünftig wieder eine stärkere Arbeitsteilung statt, Influencer werden sich vermehrt ihrer Kernkompetenz widmen und (bei Erfolg) andere Personen beschäftigen, die ihnen Management, Verkauf oder andere Themen (Video-Produktion, Fotografie, Reiseplanung, etc.) abnehmen.
Lösung 3: Schleichwerbung verbieten. Medienkritik fördern.
Hier ist der Gesetzgeber gefragt. Schleichwerbung ist zurecht verboten und für die neuen Kanäle müssen entsprechende klare Regelungen geschaffen werden.
Das Thema muss aber auch von der anderen Seite betrachtet werden. Medienbildung zählt zu den wesentlichsten Faktoren, wenn man sich der Konsumentenseite widmet. Gerade die durchwegs junge Zielgruppe dieser Kanäle soll verstehen lernen, wie Influencer Geld verdienen und was hinter den von ihnen konsumierten Inhalten steckt.
Hier muss bereits im Kindesalter angesetzt werden. In der Pflicht ist sowohl die Schule, als auch die Eltern. Die einfachste Form: Lasst sie direkt mit ihren Idolen in Kontakt treten. Meet & Greets (die moderne Form der Sprechstunde) mit “Influencern” sind wohl der einfachste Weg zu erklären, was von oben herab so schlecht vermittelt werden kann.
Lösung 4: Richtige Ziele, passende KPIs.
Wenn wir nicht wissen ob Influencer Marketing überhaupt etwas bringt, dann haben wir unsere Hausaufgaben nicht gemacht.
Also: Besser vorher genau definieren was man denn mit Influencer Marketing erreichen will. Soll ein Produkt verkauft werden? Oder ein Unternehmenskanal auf Youtube mehr Abonnenten bekommen? Brauchen wir User Generated Content? Oder wollen wir auf Instagram Reichweite in einer spezifischen Zielgruppe aufbauen? Oder wollen wir Leads für einen Newsletter generieren?
Die Zielsetzungen sind divers und sollten vorher klar definiert werden. Damit folgt die Möglichkeit einer vernünftigen Erfolgsmessung abseits von eher sinnlosen Like-Zählungen.
Influencer Marketing ist nicht tot. Im Gegenteil!
Also: Quo Vadis, Influencer Marketing? Nach der derzeitigen Läuterungsphase wird das Thema weiter wachsen und an Bedeutung gewinnen.
Die hier diskutierten 4 Themen decken auch nur einen Teilbereich der Problemfelder ab. Wie in jeder Werbedisziplin wird es Verfechter und Kritiker geben, die beide mit ihren Argumenten jeweils (zumindest teilweise) Recht haben.
Weg gehen wird das Thema aber nicht.
Genauso wenig wie das Internet.